Eingeweht, gefroren, weitergesegelt

Liebe Freunde des Blogs!,            4:30, Borgholm auf Öland, den 26.9.18
Habe gestern, 25. September, in Borgholm angelegt. Die Schären liegen hinter mir. Die Bäume werden kahl, kaum noch Blümchen begrüßen mich an Land. Es ist spätspätherbstlich geworden. Daß Tabea morgen, am 27. aufs Boot kommen wird, ist ausgesprochen erwärmend. Bin recht angeschlagen und müdmüdmüd. Bis Tabea kommt, erhole ich mich von den letzten drei Segeltagen. Abends bekomme ich Mensch und Hund nur mit Mühe noch satt – Katzenwäsche, und ich fall um, des Segelns und des Lebens müde. Schlafen, schlafen, kein Erwachen, keinen … An manchem frühen Morgen bibbere ich nicht nur vor Kälte, sondern auch vor dem Heulen im Rigg. Sed navigare neccese est.  Und wenn ich dann aus der Luke gucke und den blauen Himmel sehe und die Sonne, die fast immer scheint, dann, ja dann, will ich nur noch eines. Segeln. Hab immer noch nicht genug davon.

TK Schweden bis Borgholm
Stand der Reise am 26.9.2018, 04:40h ist Borgholm auf Öland

Tagebuch – südlich Landsort letzte Schärentage 2018

18. September, von Landsort über die Bucht von Trosa nach Tobakholmen
Etmal 32 sm

Über die Trosaabucht, dann Schärenslalom an einem wunderschönen Spätsommertag.

19. September; von Tobakholmen zur Orskär
Etmal 28 sm

Elke, Karle und Giselle, abends dann Philipp und Arild rufen an und gratulieren zum Geburtstag. Man wird eben nur 1-mal Fünfzig. Dann simse von Carsten und Tabea. Tabea mit 2 Tag Verspätung ihres donnerstäglichen Rigorosums geschuldet, das band Kräfte -ich gratuliere – Du hast das Alles bravourös geschafft.

Daß Karle sich im kritischen Moment meldete, konnte er ja nicht wissen: die Überquerung der Bucht südlich Öregrund empfinde ich immer als kitzlig. Und dann zu telefonieren, wenn ich mich dem „Henkersgrund“ nähere… „Et hätt noch emmer joot jejange“ – Art.3/Rheinisches Grundgesetz .

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Mond über der Orskär – ein dem hohen Alter des stattlichen Greises angemessenes Geburtagsbild ©Thomas Esche / Karlsruhe

20. September, von der Orskär nach Torrö
Etmal 32 sm

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Kurz vor Torrö: solch ungemütlichen Tage auf See hatte ich den ganzen Sommer nicht. Dick vermummt sitze ich am Steuer, dieweil immer mal wieder eine Welle Segel und Deck erfrischend besprüht. Und dann kommt der – immerhin – zweite Regenguß, der mich dies Jahr beim Segeln satt erwischt. ©Thomas Esche / Karlsruhe
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Blick um die Ecke meines Schutzfelsens auf Torrö: ekwelie goos it luus, zwei Minuten vor dem Sturm wirds schwarz im Südwesten. Festgemacht mit zwei starken Leinen an zwei schwachen Kiefern. ©Thomas Esche / Karlsruhe

21.September, eingeweht auf Torrö

Den 1. Tag auf Torrö eingeweht. So warm Luft und Boot sind mit 15°C, so ist es im Boot doch bodenkalt: 8°C, das spürt man unangenehm an den Füßen. Da komme ich auf den Gedanken, das Wasser zu messen. 5°C. Oioioioioi.

22. September, eingeweht auf Torrö

Den 2. Tag eingeweht auf Torrö. Es wird kälter. Abends verlege ich mich 1 Bucht weiter an die Pier von Flachvarf. Denn der Wind wird drehen von Südwest auf Nord und dann wird der Fels, der mich vor 8 Windstärken so lieb geschützt hat, mich nicht mehr schützen. Und ich würde seitlich an ihn herangedrückt bis ich auflaufe – da fehlte dann die berühmte „Handbreit unter dem Kiel“.

23. September, von Flachvarf nach Västervik
Etmal 22 sm

Schwärme von Krähenscharben und Gryllteisten und Regenpfeiferle begleiten das Boot nach Süden.

24. September, von Västervik nach Oskarshamn
Etmal 46 sm
in nur 7 1/2 Stunden

Der Wind jault im Rigg. Das deutsche Fähnlein knattert. Mit gemischten Gefühlen lege ich ab – das heißt mit ganz flauem Magen, doch werde ich den den Wind achterlich nehmen können. 4 bis 5 Beaufort, in Böen bis 7. Nicht Bufo, wie viele Segler sagen, denn: Bufo lat. die Kröte. Ich beginne mit Reffs, von denen ich mich nach und nach trenne. Bis ich abends am Hexentanzplatz der Blauen Jungfru und in der Ansteuerung von Oskarshamn den Wind raum bekomme und die Petunie durch den Salon kugelt.

25. September, von Oskarshamn nach Borgholm
Etmal 27 sm

Morgens im Boot neben dem Fähranleger in Oskarshamn sind es 4 °, draußen auf der Terrasse sind es 1°C. Wenigstens noch plus.
Für die Weiterfahrt bin ich gerüstet: gefütterte Lederhandschuhe, Skimaske, heißer Minzetee in der Thermoskanne, Ölzeug. Und dann dieser laue Wind. Ungewohnte 2 bis drei Windstärken, erst achterlich, dann raum, warmer Sonnenschein. Ich möchte bis Kalmar sausen. Im gestrigen Tempo wieder 42 Seemeilen schaffen. Nein, es reicht nur für die 25 sm bis Bornholm. Ich quere ich den nördlichen Kalmarsund und lande nach 5 1/2 Stunden ruhigen Schaukelns.

In der Ansteuerung stürze ich beim Klarieren fürs Anlegen schmerzhaft auf Knie und Ellenbogen. Wird das im Alter schlimmer? Oder: nie wieder Fender beim Segeln einfach nur über die Reling aufs Deck legen. Weghängen!

Der Wind beginnt schon zu jaulen, während ich das Boot sichere gegen den Starkwind die nächsten 24 Stunden.
In dieser quirligsten schwedischen Sommerfrische bin ich allein mit 2 verlassenen Motorbooten im Gästhamn. Melancholie eines verlassenen Ortes. Nur ein verlorener Kellner im einzigen geöffneten Restaurant. Leere Parkplätze. Sand auf den Bürgersteigen. Da ist Le-Sable-d’Ologne lebendiger im Jänner.

Durch die stürmische Nacht schaukelt uns die Rosebud und Dohlenschwärme umkreisen uns melodisch. Mit Wärmflasche ist das ausgesprochen gemütlich.

Thomas Esche
sailingboat-based geographer/biologist/photographer/waldorfteacher on SY ROSEBUD, Home Port: Köpmanholmen/Västernorrland län thomasesche@posteo.de

2 Kommentare

  1. Hallo Thomas,
    ich schmeiße meinen Laptop an und finde deine letzten Nachrichten., bis gestern. habe gleich mal Googlemaps gestartet um zu sehen, wo Du denn bist. Doch weit gekommen, glaube ich, aber vermutlich nicht so weit, wie Du eigentlich schon sein wolltest. Und dann die Temperaturen !! Ich wage gar nicht darüber nachzudenken, geschweige denn es Dir zu schreiben: ich liege in der Sonne bei angenehmen 25 Grad, leichtem kühlenden Wind und schaue auf den Indischen Ozean.
    Ich drücke Dir weiterhin die Daumen, dass Du gut voran kommst, die Temperaturen Dir nicht zu sehr zu schaffen machen und der Wind doch aus der richtigen Richtung bläst. Meine Bewunderung für Deine seglerische Leistung ist weiterhin ungebrochen.

    Herzliche Grüsse und alles Gute. Und wenn ich Deinen einen Kommentar richtig verstanden habe, dann hast Du dieser Tage Geburtstag gehabt. Auch von mir: Herzlichen Glückwunsch und alles alles Gute. Bleib gesund, das ist das Wichtigste. Und immer die berühmte Handbreit…

    Wolfgang

    1. Guten Morgen, Frühaufsteher, manchmal kann ich kaum glauben, daß man meinen Blog liest. Danke Dir für Deine Zeilen. Gestern waren es 1 ° C im Hafen von Oskarshamn. Da wärmt jedes Lebenszeichen erst recht. Herzliche Grüße, Thomas

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