Durch die Südliche Bottensee
von Gräddö bis Härnösand: 27.6.-15.7.17
27.Juni von Gräddö nach Stor-Asken,
Etmal 7 sm
Philipp Roth „Amerikanisches Idyll“ ausgelesen. Dolles Ding das. Von Klara empfohlen. Streckenwese im sich erregenden Inneren ohne Punkt-und-Komma-Monolog a la Thomas Bernhardt. Als manirierter deutscher Moderner schriebe Roth wohl ohne Interpunktion. Wie Uwe Johnson. Oder jene Sabine Jellinek, die ich nicht ausstehen mag. Roth schreibt wie gegen die Satzzeichen an, die dann fast schon stören. Wohlhabend sein, Glück besitzen. Wie soll das aussehen? wenn nicht amerikanisch oder amerikanisch inspiriert, da sind wir Deuschen infiziert von (noadeutsch). Oder jainisch? Oder wie europäisch? Oder die Frage anders stellen. Und ich fragte mich: bin ich wie der „Schwede“? Was nicht sein darf das nicht sein kann – denn er argumentiert vernünftig, wie die Generation der 20-er und 30-er Jahre, die mählich ausstirbt, und wird dadurch unglücklich. Nicht unser Leben bestimmt unser Denken, sondern unser Denken bestimmt unser Leben und so weiter Epikur oder Landmark Education.
Das Buch wurde hellsichtig geschrieben. Noch vor der Machtübernahme durch die Konzerne, die jetzt als neue Regierungen aggressiver gegen die eigenen Bürger vorgehen als so mancher Diktator – Beispiel Immobilienbetrug der Goldman Sachs etc. Wir haben zugelassen, daß die Konzerne sich so unangreifbar machten wie es früher die Kirche war.
Danke Klara.
28.6.2017 von Stor-Asken nach Fjällboholmarna, Etmal 20 sm
Ein Tag großer Kreuzschläge.
Und dann hatt ich genug vom Hinundherkreuzen und motorte quer rüber ins Loch, hatt keine Lust durchzuhalten bis Grisslehamn.
Genau so entdeckt man Lieblingsbuchten. Auf der Rückfahrt würde ich wieder hier einkehren.
Abends Stöckchenspiel, glücklicher Hund. Unter den Büschen Maiglöckchen blühend.
29.6.2017 Von Fjällboholmarna via Svartklubben zur Korsskär, Etmal 20 sm
Morgens Hundspaziergang im Uferwald, Moorpfützen mit Wollgras. Träuzmen in die Ferne nach Osten zu: da muß St. Petersburg liegen. Da war Philipp schon mal. Und rechts davon Königsberg, wo meine Mutter herkommt. Links davon die Alands.
Und fünf Stunden später die Einfahrt in den Fjord von Öregrund:
30.6. Eingeweht auf Korsskär
1 Tag in der Bucht von Korsskär abgewettert
1.7.2017, von Korsskär via Öregrund zu den Ängskärsklubben, Etmal 28 sm
Zwischen 2 Flachs ging dem Wind die Puste aus. und dann ging mir die Puste aus. Genau das war der Moment, von dem Elke morgens im windfinder sagte: um 14 h dreht der Wind von … auf. Und der Winddreher hieß wie immer beim Winddreher erstmal 1 Minute Flaute. Dann wehte er wieder, direkt mir ins Gesicht, ich stehe im Wind und die Rosebud segelt auf das Flach zu backbords. Bis ich den Motor angeworfen habe, sind wir knapp 10 m vor dem Fels mit minus 1.30 m. Unter der Reling gischtet schon das Wasser. Ohne Motor wär das Boot jetzt geliefert gewesen. Lehre: nie zwischen 2 Flachs durch ohne Motor im standby.
Abends Hundspaziergang auf der Halbinsel. Sie ist wunderschön, nur gibts doch arg viel Leute, es sind halt Sommerferien jetzt. In einer kleinen Bucht finde ich einenBestand Ophioglossum-Bestand: Natternzungen.
2.7.2017, von Ängskärsklubben via Gävlebucht zur Insel Enmaren,
Etmal 46 sm
Beim Ablegen auf Ängskärsklubben kommen junge Eltern mit Buben von ihrem schönen Segelboot zugucken, loben die Rosebud. Und der Bub zeigt fragend auf mich „ist das jultomte“ … Santa Claus übersetzt mir der Vater.
Der Segelvormittag mit interessanter Steuerung durch Untiefen-Slalom, am Kap „Björn“ mit seinen Vogelinseln vorbei.
Ab Mittags unschön, unromantisch, es ging Stunden auf die riesigen Fabriken zu von Gävle, drüber ein schwarzgrauer Himmel, immer mordorähnlicher wurde das. Und dann kamen Wind und Welle so ungünstig, wollten mich partout nach dem häßlichen Gävle hinein treiben, Riesenpotte kommen mir aus einem Kurvenslalom ihres An-/Aus-Steuerungsfahrwassers entgegen, der schwer einschätzbar ist aus meiner Perspektive. Man will ja nicht im Wege stehen…
Was so schön ist am Naturerleben beim Segeln, ist schön, wenns wie heut morgen donnert aus schwarzem Gewölk. Oder Azurhimmel strahlt über schwarzblaugrünem Wasser. Aber nicht wenns pißt. Grau in Grau. Naßkalt ins Gesicht haut. Das schlägt ins Gemüt. Wieso. Ist doch auch Natur, oder grad. Am Ende gar. Und was ist überhaupt Natur, frägt schon Heimito von Doderer. Und meint, die gäbe es nicht einfach, sondern erst zum Ende Neunzehntem. Entweder ist eh alles Natur oder nur eine umgrenzte Definition – halt: eine Definition ist nicht, sondern umgrenzt.
3.7. Enmaren
Schmuddelwetter. Daheim geblieben. Regenschauer, Windpausen. Das ist doch kein Segelwetter. ‚Schblieb libber dohom. Milchkaffee trinken, Blogtext schreiben. Gammeln, bin ja auch gammel, Dänisch und Schwedisch für „alt“. Da darf ich Gammler sein. Endlich. Thomas ist ein Gammler. Wenn das meine Eltern wüßten (wenn das der Führer wüßte).
Die Natur schlug zu: um sechs abends Hundspaziergang. Was wir nicht alles fanden. Gagelstrauch, duftende Orchideen (Zweiblatt), Fieberklee, Moltebeere, Wirbelgilbweiderich, Moosglöckchen. Und dann zur Bucht, wo das Dinghi … nicht auf uns wartete. Es war die falsche Bucht. Wo ist unsere Bucht? 1 Stunde irrten wir umher, dann war die Bucht die richtige. Ohne Sonne am trüben Himmel ist schwer Richtung beibehalten in Wäldern ohne Wegeraster.
4.7.2017 von Enmarennach Norrsundet,
Etmal 22 sm
Ein grauenvoller Segeltag. Welle über 1.50m, Wind direkt ins Gesicht, stundenlang gekreuzt, 22 sm, um 6 sm zu gewinnen. Seekrank wurde ich auch noch. Und pitschepatschenaß im kalten Regen. Und Wellen kamen über, Plicht unter Wasser, mußte lenzen. Das Boot wurde geschüttelt, nix blieb an seinem Platz, sogar die Ankerkette hing ausm Boot. Heih war das eine Sauerei.n Und dann die Bucht südlichz von Norrsundet, wo kein Ankerplatz mir recht war. Dann den Kanal in die Hauptzufahrt rübergenommen und aufgelaufen. Hei warn die Felsen hart. Wie ich im Hafen anlege, im letzten Winkel des nichtendenwollenden Fjords, aufgeatmet. Im Konsum Schoki gekauft. Aufgegessen. Sahne gekauft. Ausgetrunken.
5. Juli Norrsundet
Ein Tag Wunden lecken. Seekrankheit macht mir Kopfschmerz und Depri. Im Übrigen hatt ich mich an Creme Fraiche begessen. 3 Stunden Hundespaziergang – viele Lepis gesichtet. Große Satyriden, Unterseite wie Mauerfuchs, oben rauchschwarzgraubraun mit Doppelauge im Apex.
Und lesen: lese Dana Sobels „Längengrad“, für einen Segler ein Muß. Lese zum halbdutzendmalsten die Harrison-Story.
6.7.2017 von Norrsundet nach Stallnäset, Etmal 30 sm
Stallnäset mit seiner kleinen Ankerbucht, geprägt von Klein-klein-Tourismus, badende Kinder, Angler, idyllisch, harmlos, Häuschen unter Kiefern und Birken. Hundspaziergang zur Bucht, Hundbad.
7.7.2017, von Stallnäset zur Insel Agön, Etmal 19 sm
In Agön empfing mich mit der vorgelagerten Insel ein wildes Gejaule, Gestöhne, Lärmen, Juhuu-Rufen, Juchzen. Ich denk noch, die blöden Schweden machen Fete im Robbenschutzgebiet. Aber der Groschen fällt ja irgendwann doch: das waren die Heuler! Sowas hatte ich noch nie gehört. Und die ganze Nacht – so man hier von Nacht sprechen mag – begleitete mich das Heulen der Heuler, beim Hundespaziergang kam das Bellen des Singschwans dazu, wenns kein Zwergschwan war. Und während der Ausfahrt aus der Bucht immer noch das Heulen.
Der Abendspaziergang auf Agön bringt mich östlich über der Bucht in einen verwunschenen Wald, Kniehoch das Moos, uralte Bäume, Duftorchideen. Der Morgenspaziergang vor Ausfahrt Hundspaziergang zeigt, der Wald westlich über der Bucht ist von Wanderern häufig besuchter, anthropogener, wennauch niemand mir begegnet.
8.7.2017 Stocka, von Agön
9.7.2017 Guter Dinge in Astön,
von Stocka Etmal 33 sm
Hier treffe ich Björn Tegetmeier, den freiburger Physiker, wieder. Seit 10 Tagen sind wir aufeinanderzu gefahren (schreibt man das zusammen?). Nun ist es soweit und wir babbeln und gammeln und segeln nur zem Spaß fünf Tage und essen gute Dinge und sind guter Dinge: Fränkische Fastenknödel: Zucker karamellisieren und mit Milch ablöschen. Hierin Hefeteigklöse mit Rosinen ziehen lassen, dann bestreuen mit gehackter Minze und gerösteten Kokosraspeln und übergießen mit Goggel-Moggel-Weiswein-Sauce. Ei war das gut. Wir lesen gemeinsam in den „Fragebögen“ von Max Frisch. Paar spannende Selbsterkenntnisse. Am Freitag segelt Björnnach Süden, leider nur 42 sm weit mit gutem Wind. Ich lese den Tag über in zweien seiner Segelbücher: Erdmann, „Ostseeblicke“, Irrgang, „Ostsee linksherum“. Am Morgen drauf, samstags, fahre ich ab. Nicht ohne ein Festmahl am Freitgabend. Ich bekam eine Maräne, schwedisch „Sik“.
15.7.2017 Härnösand,
von Astön Etmal 16 sm
Morgens Ablegen unter Segel und raus aus der Bucht und mitten in die Flaute. Bevor ich sachte auf Fels treibe motore ich sicherheitshalber mit Standgas standby.
Und dann wieder mal: eben noch Flaute – paar unauffällige Winddreher – und dann Böen 6, Bergen der Segel erst mal nicht möglich, aber runter müssen sie unbedingt. Und wer geht nach vorn und tuts? Ich mal wieder.
Ich muß es einfach lernen. Es gibt Flauten und Flauten. In manchen bleibt man hängen. Manche sind der Vorbote zum Starkwind. Blöd, wenn man grad alls „oben“ hat. Nur ist „dumm gloffe“ keine Ausrede. Ich sollte den Schiedunter lernen.
Im Hafen von Härnösand hats wifi und per skype sehe ich die liebe Elke wieder, die leider seit 2 Tagen krank ist. Sie hat sich in ihrem Vorferienendspurt übernommen und liegt flach.
Und dann geh ich groß einholen: frisches Frisches. Mit Essen ist das so e Sach do heroobe. Anderschder als wie daheim wenig Frisches. Ich habe 80 Liter H-Milch an Bord, so kann ich Sauermilch und Joghurt züchten, Müsli und Kakao bereiten. Ich hatte 2 kg Schwarzwälder Schunke, der wo isch iztz gässe, au gräucherti Schwarwürschd hab i numme nitte. Ohne Kühlschrank isches scho alles andaschder als dohaim.