Juni ’18 Getriebeschaden

Das Getriebe bockt seit Sackholmen. Fahre ich schneller als Schritt, kuppelt es aus. In Gräddö wollte der Meister nicht reparieren – „no knowledge“. Muß ich mich also auf die Suche nach einem willigeren Betrieb machen. Wie lange wird mich das umtreiben? Tage? Wochen? Fahrlässig, weiterzusegeln ohne funktionstüchtigen Motor. Auch für den Puristen, der den Motor nicht einsetzt, gibt es Gefahrensituationen, in denen er Dich vor dem finalen Funkspruch bewahrt. Also Häfen abklappern, Werkstatt für das deutsche Hurth-Getriebe/heute Zeppelin finden?

Hier das Tagebuch bis Öregrund, wo ich mit dem Getriebe endlich zu Potte kommen sollte:

1.Juni, von Gräddö nach Salnö
Etmal 13 sm

„Die Attraktion des Jahres“

3 Stunden nach Abschied von Elke Segeln durch den Sund, dann an der Insel Arholma vorbei, bürgerlicher Seefrische des 19. Jahrhunderts. Es flutscht nur so. Bester warmer südlicher schwedenuntypischer Backofenwind von achtern. Draußen auf dem offenen Meer erwarten mich Donnergrollen und Blitze. Kaum bin ich in der rettenden Salnöbucht, tropft es etwas, das isses? Oder. Dann unvermittelt starke Böen aus Nordwest bis Nordost, Reste des Gewitters. Nach einer Viertelstunde dreht der Wind back, wieder warmer Säuselwind aus Süd und ein Regenbogen. Spät in der Nacht heults im Rigg. Vorboten des angekündigten starken Nords -„near gale warning“ des MSI.

kommt das Gewitter auch zu mir – oder nicht – oder doch? {6 sm entfernt ist das Zentrum, dieweil über mir der Cirrenschirm den Himmel zuzieht}

In Salnö hoffe ich meine schwedischen Freunde zu treffen und werde enttäuscht. Sie sind dieses Wochenende in Stockholm geblieben. Wer am Ufer steht und winkt – der Nachbar. Dem ich die beiden Rieslingflaschen für die Freunde übergebe und der mich und Jamie freudig in Empfang nimmt, einlädt auf seine Terasse und wir klönen 2 Stunden windgeschützt in Sonne und Wärme, während der Wind draußen fordernd am Boot zerrt.

Und der ehemalige SAS-Mann erzählt, wie ich vergangenes Jahr in der Bucht aufgetaucht sei mit meinem Boot als die Attraktion des Jahres: „Da war das Segel am Horizont. Das kam immer näher. Was will das Schiff. Das kommt ja hierher. So ein schönes Schiff!“ Alle Nachbarn freuen sich über den eyecatcher. Ich hoffe, ich gebe das mäßig wahrheitsgetreu wieder.

2. Juni, von Salnö nach Fjällboholmarna,
schwed. „Wald-Nest-Inselchen“
Etmal 12 sm

Salnöbucht
Salnöbucht, nach 3 Windrichtungen geschützt.

Ich hatte die Bucht von Salnö im abendlichen Südwind angesteuert. Bei der Ausfahrt erweist sich die Bucht als Falle. Zum Absegeln vom Anker weg ist sie zu enge. Mit Motor gegen 3 Beaufort Nordwind gegenan komme ich mit nur 0,3 Knoten voran. Gebe ich mehr Gas als für Schritttempo, kuppelt das Getriebe aus. Endlich draußen, kreuze ich ohne Motor unter drei Segeln drei Stunden in Sichtweite der Häuser immer in Gefahr vom Wind zurückgeweht zu werden.  Das schwedische MHI (Meteorological and Hydrological Institut) jedoch sagt Starkwind aus Nord für Tage voraus. Also bloß nicht zurück in diese Bucht. Einmal mehr lasse ich mir vom Motor aus der Situation helfen. Viel mehr als Schritttempo erlaubt das Getriebe aber nicht mehr. Wie lange noch? Und erreiche die rettende Bucht von Fjällboholmarna. Wo ich 4 Tage eingeweht bleibe.

3. bis 6. Juni, eingeweht an Fjällboholmarna

Fjällboholmarna
Inselchen Fjällboholmarna und die Bucht, nach 2 1/2 Windrichtungen geschützt.
Digital StillCamera
fjäll – Gebirg / bo – Nest / holmarna – Inselchen

Diese meine schwedische Lieblingsbucht von 2017 ist nach Ost von einem Inselchen abgeschirmt, das eine Wiese trägt und wie ein Nest in der See sich ausnimmt. Maiglöckchenduft, den ich mit ins Boot trage, eine brütende Möwe, blühende Berberitze. Eigentümer des Eilands ist die Große Rote Waldameise. In der Nacht gibt es im Möwennest ein Drama, schrille Vogelschreie vergeblicher Verteidigung. Am Morgen drauf fehlen die 2 Eier.

Ruhe vor dem starken Süd
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nach Südwind die Ruhe vor dem Winddreher zum Nord. Da wird er herkommen, der Sturm. Im Rigg jault es schon mal.

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Dann ist er da und kreischt in den Wanten, weckt mich um Mitternacht, kein Schlafen mehr, „kein Schlafen und keinen Traum“ frei nach Alban Berg resp. Hebbel, es lärmt, es quietscht, Wellen rumsen kräftig in der Koje am Bug, das Schiff arbeitet, schwankt, stampft in den kurzen Wellen.  Die Falle schlagen laut an den Mast, kann mich nur im Sitzen ankleiden, 3 Schichten gegen die jetzt arktische Kälte: Mitternacht, Weiße Nacht, Sturmnacht. Ich krabble an Deck. Sehe Schaumkronen ringsum. Hält der Anker nicht, muß ich augenblicklich segeln, und mit unzuverlässigem Getriebe mit der Fock vor dem Wind an den Klippen vorbei aus der Bucht. Das wird gehen, aber bedeutet auch, ich mache  jetzt das Schiff klar. Klettere gebückt über das Deck, zwischen den Beinen die Luken von Salon und Koje, von wo Gemütlichkeit, Geborgenheit mit warmem Licht lockt. Beim Huschen übers Deck Schwerpunkt schön unten lassen. Fock und Groß bekommen ihr 2. resp. 3. Reff und werden zum Setzen klar gemacht. Die Schoten bereitgelegt. Der Klüver gut weggebunden. Daß die Ankerleinen in den kommenden 3 Tagen sich an Grundfelsbrocken nahezu ganz sich aufschürfen werden, weiß ich erst beim Ankerholen. Gänsehaut im Nachhinein noch.

Die Tage drauf in Windpausen Hundespaziergänge:

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Jamie mit Eiderenten, mit Prügel im Maul in ihrem Element
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wo ist Jamie abgeblieben?
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Scheinbar beschaulich. Rosebud bei 7 Beaufort am Anker
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kein gutes Gefühl, nicht auf dem Boot zu sein, aber Jamie muß an Land, müssen. Mit ihrem Schaukeln reißt die Rosebud rhytmisch am Anker.

7. Juni, von Fjällboholmarna nach Öregrund
Etmal 26 sm

Beim Ankerauf sehe ich: die Ankerleinen sind an Steinen auf dem Grund aufgescheuert. Sie sind nicht mehr sicher.
Die Fahrt vorbei am Svartklubben, der Schwarzklippe, mit meinem Lieblingsleuchtturm von 2017, segelt sich so rasant wie im Vorjahr. Mit teils über 6 Knoten rauscht das Boot dahin. Was ein Segeln. Es gluckst und rauscht um das Schiff, das Dollbord liegt am Wasser, daß es eine Freude ist. Elke hätt da keine Freud. Im Fjord dann ein wenig kreuzen bis der Wind über die Kimm dreht zu meinen Gunsten.

Im Sausewind im Sauseschritt vorbei am Lieblingsleuchtturm Svartklubben auf seiner schwarzen Klippe

In Öregrund erst Mal Erdbeeren, visp grädde und Fisch und Fleisch besorgt. Morgen gehts zur Werkstatt. Guggng, wat jeht.

8. bis 10. Juni, Wochenende in der Nordbucht gegenüber dem Hafen

So beginnt ein Gewitter: der Cirrenschirm hoher Eiswolken guckt hoch oben über Rand der großen Cumuluswolke unter ihm
Nun  beschattet der Cirrenschirm die Gewitterwolke unter sich ganz. Auf der Erde wird es unheilschwanger dämmrig. In der Höhe donnert es gruslig.
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Von Thomas Esche

sailingboat-based geographer/biologist/photographer/waldorfteacher on SY ROSEBUD, Home Port: Köpmanholmen/Västernorrland län thomasesche@posteo.de

2 Kommentare

  1. Hallo Thomas.
    lese so eben Deine letzten Nachrichten. Klingen nicht gut! Ich hoffe und wünsche Dir, dass du das Problem möglichst schnell gelöst bekommst. Irgendwo muss es doch einen „Bastler“ geben, der Dir helfen kann. Also, ich drücke alle Daumen !
    Letzten Mittwoch bin auch ich gestartet. Staande Mastroute bis Lauwersoog, wo ich heute Nachmittag festgemacht habe. Morgen soll es dann nach Borkum gehen. Wind und Wetter scheinen ganz günstig zu sein, möge die Vorhersage auch so eintreten. Mein Ziel ist die Ostsee, ich schrieb es dir schon, mal sehen, ob ich dorthin komme. Da ich alleine unterwegs bin, kann und werde ich nur tagsüber segeln und nur bei vernünftigen Wetterverhältnissen.
    Ich werde weiter berichten.
    Für heute herzliche Grüße in den hohen Norden
    Wolfgang

    1. Lieber Wolfgang, das klingt gut. „Mal sehen ob ich dorthin komme“, ist gut: wieso denn nicht? Ich bin gespannt, ob sich unsre Wege treffen.
      Und ja: Deine Winde sind über Tage ideal, ab TG9/Weser2 ginge hart am Wind vielleicht sogar Helgoland? Herzliche Grüße, Thomas

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