Weiter geht es nur nach Süden

Ihr Lieben daheim oder auchschonindenFerien,

seid gegrüßt aus Bjuröklubb, 1426 Seemeilen von zuhause, und bereits weit südlich von Haparanda. Hier das Neuste:

TK Schweden bis Bjuröklubb

frisch rasiert kann es nun wieder nach hause gehen
Digital StillCamera
Helena und Kenneth, Haparanda
klein 2018 07 27 Vargön hel u mik
Helena und Mikel, Vargön
Digital StillCamera
läßt der mich jetzt allein?
klein 2018 07 28 Mellerstön
Mellerstön
Digital StillCamera
Kinder haben kleine schwarze Gummischlangen liegen lassen

26. Juli Haparandahamn – Kluntarna
Etmal 43 sm

Ein Hoch über Skandinavien beschert Nordost, mit dem ich zunächst raum bei über 5 Knoten segle. Dann ist eine Flaute durchzuhalten. Dann weiter mit schwachem Wind auf Am-Wind-Kurs, immerhin mit über 3 Knoten, weil die Wellen sich verlaufen haben.

Anker fällt in der Bucht von Kluntarna neben einem Halbdutzend schon schlafender Segeljachten, meist Finnen.Kluntarna steht unter Naturschutz. Ich sollte ihre verwunschenen Wälder länger besuchen. Jamie stöbert 20 Birkhühner auf, 20 Senkrechtsstarts um sie herum. Sie mittendrin im Geflatter und Fluchtgezeter, steht verdutzt, glotzt, unschlüssig, welches zuerst fassen. Und dann sind sie weg. Genau darum leben manche Tierarten im Schwarm, liebe Jamie.

27. Juli Kluntarna – Vargön
Etmal 34

Immer noch das high over scandinavia, increasing 4 bft. Allerdings beim heutigen Kurs als achterlicher Wind, sodaß ich mich entschließe, den Wellen aus dem Weg zu gehen. Ich wähle den nicht ganz direkten Kurs durch die Lulea-Schären und segle also im Schutz der Inseln ohne Welle. Damit umgehe ich auch die in der Buchtmitte gelegenen Untiefen, die laut Seekarte nicht sicher vermessen sind … Auf dem Hinweg hatte ich mich da hindurch getraut.
Der Inselslalom ist wie ein Segelkurs. Alle Kurse sind drinne, Amwind, Vordemwind, Raum, Hartamwind. Es macht Spaß, ständig den jeweils richtigen Trimm zu finden. Bis zwischen zwo Inseln an einer Huk die Düse geht. Und das Boot erst mal mit sich selbst um die Wette rauscht. Ein Tag mit 4,5 bis 5,5 Knoten. Gut dem Dinge.

Initiation

Vargön erweist sich als verträumt einsam. Den Steg erreiche ich wegen meines Tiefgangs nicht. Am Steg ein Holzboot, auf dem Steg ein Tischchen Tellerle und Gläsle, Deckle aufm Bänkle. Helena und Mikel aus Bygdeå laden mich herzlich ein zum Abendessen mit starkem Öl. Und — und — ich wußte, irgendwann würde es kommen. Unausweichlich. Ich werde eingeladen zu dér Spezialität Nordschwedens. Und ich erlebe mich, etwas zu essen, das man eigentlich nicht ißt. Sörstremming. Fisch, den die Schweden liebevoll aufbewahren. Gut aufbewahren. Nicht einfrieren. Nicht kühlen. Nicht kalt oder warm räuchern. Nicht in Salzlake einlegen. Nein. Sie lassen ihn wie er ist. Und dann kommen die Bakterien. Und wenn er dann so richtig gärt. Wird er gegessen. Er riecht dann ganz charakteristisch. Genau wie fauler Fisch halt so riecht. Und so essen wir ihn gemeinsam mit zerdrückten Kartoffeln und Butter, Knäckebrot und Zwiebeln. Dazu Tomaten, damit man am nächsten Tag nicht rülpsen muß.

Und? Hat es geschmeckt? Ja. Aber nur, weil Helena und Mikel mir beistanden. Nie mehr werde ich so etwas essen. Es war wirklich sehr gut. Aber ich werde es nicht mehr tun. Außer vielleicht nächstes Jahr mit Helena und Mikel.

Und wie das Pipi dann roch. Ogottogott.

Am nächsten Morgen Bilder mit der Hasselblad auf Sandflächen mit unbekannten (sollte eigentlich nicht vorkommen) Blumen, alten Bäumen. Und am Steg Schlängelchen.

Beim Ankerauf ohne Motor mein alter Fehler: erst das Groß hochziehen wennauch gefiert, dann den Anker auf, dann wundern, daß das Boot auf Land zusegelt. Hab die Kurve grad noch gekriegt ohne Motor. Issoch klar, son hochgezogenes Groß bleibt ja nicht gefiert. Bekommt das Boot durch Wind nur die kleinste Drehung, steht das Groß plötzlich brav stramm, wie Segel das so tun, und wandelt Wind in Energie.

28. Juli von Vargön nach Jävre Sandön
Etmal 23 sm

Beim Ankerauf unkonzentriert, schon sitze ich dem einzigen und daher in der Karte laut und deutlich eingezeichneten Fels auf. Laut und deutlich vom Kiel bis in den Mast rrrumsts.

Ostnordost, das gehabte Skandinavienhoch. Raum und hartamwind wunderbares Segeln. Und dann ein Ende mit Schrecken. Ich schätze meine Ankerbucht falsch ein. Gegen den gedrehten Wind schützt sie, nicht gegen Welle. Die ist nach Tagen skandinavischen Hochs und langem Weg zu gut aufgebaut. Was tun? Zum Nachdenken nur mal kurz in den schaukelnden Salon sitzen – ein Badischer Richtungsakkusativ. Und werde binnen Sekunden apathisch. Schlummere gelähmt weg, schleppe mich nach 1 Stunde in voller Montur ins Bett. Wache auf von einer Nachricht Elkes, ich solle mich doch einfach in die Nachtbarbucht verlegen. Das war die Rettung. Ich war völlig willenlos geworden. Erst mal bißchen kotzen, dann ¾ Stunde motoren. Und ich bin in einer absolut ruhigen Bucht. Danke Elke!

29. Juli Jävre Sandön – Skelleftehamn

Das Skandinavienhoch – immer noch – treibt mich von hinten über die Schießbucht Tåme. Kein Mensch da draußen, kein Segel weit und breit. Allein. Wunderschön das.

Skelleftehamn ist der häßliche Industriehafen – Kupferhütte – zu Skellefteå (einheimisch Schellefto, nur Stockholmer sagen Schellefte-o). Der Yachthafen bietet alles. Eluttag und färskvatten am Steg für unser Boot, die tvättstuga für meine Wäsche. Mit dem Velo fahre ich Sausewindbrausewind zum ica zum Einholen. Ich bleibe zwei ganze Tage. Auch wenn die Hitz an Land kaum auszuhalten ist. Auch die Schweden haben nach Begrüßung erstmal kein andres Thema.

Als ich im Klubhaus paar alte Männer (wer weiß, sind die wirklich älter als ich?) frage, ob es einen Segelmacher für die vier kleinen Löchlein im Klüver gibt (Feindberührung mit dem Kran in Haparandahamn), organisieren sie mir Segelmacher Gunnar (Delfinsail), der 15 Minuten später am Boot steht und mir Tape überreicht und – „service!“ – nix dafür nimmt.

Beim Einholen geht es mit mir durch. Nach drei Wochen Abstinenz falle ich her über frisches Obst, frische Milch, frische visp grädde 40%, gesalzene Butter, Pfirsiche, Aprikosen, Wassermelone, Erdbeeren, Äpfel, Bananen.

1. August Skelleftehamn – Bjuröklubben
Etmal 25 sm

Ich sollte Tanken. Aber der starke Wind würde mich an den Steg der sjömack drücken und da bliebe ich dann kleben. Mit der Rosebud ist nicht gut gegen den Wind ablegen vom Steg.
Gutes Segeln – Zwar im Zickzack kreuzend, aber rauschende Sausefahrt. In der Bucht von Bureå verbrannte Forsten bis zum Ufer. Dann eine Flaute. Nach einer Stunde Hitze, stechender Sonne – ich reiße mir alls vom Laib – wieder starke 4 Beaufort. Hart am Wind gehts weiter. Heute mit „guten“ Toten Winkeln von unter 95°. Bin stolz auf meinen Trimm. Cunningham, Baumniederholer, Travellor, durchgesetzte Vorlieke, alles stimmt. Jawoll. Und sone Flaute ohne Motor auszuhalten wird belohnt. Kehrt der Wind unvermittelt wieder, was ist das eine Freude. Erst das leise Plätschern am Heck; dann zunehmendes Strömen von Wasser am Bootsleib entlang, weniger zu hören als zu bewußtsein. Die Segel werden prall, ziehen das Boot mit wachsender Macht. Mit Mühe hole ich all die Leinen dicht und ziehe mit andrer Hand die Kleidung wieder an, die ich im Eiseswind wieder brauche. August? Wollmütze und Shawl und lange Hosen!

Ankommen wie heimkommen, wenn man schon mal da war: im Häfelchen vom Bjuröklubb liegen schon 2 Segelyachten. Später kommen noch 4 dazu, dann ist der Hafen voll. Alle babbeln mit allen. Ich noch mit Hasselblad über den Berg. Hundspaziergang zu ancient ruines: Steinwälle von Behausungen vorzeitlicher sealhunter. Der Wald furztrocken, die Moose und Flechten knistern unter den Füßen. Der Wald wartet auf den zündenden Funken, quasi. Diesmal ganz andre Schmetterlinsarten als vor 2 Wochen. Eine Ganzzahl Admirale an einer blutenden Zitterpappel. Gammaeulen. Spanner. Und reife Johannisbeeren, Himbeeren, Blaubeeren und die leckereren Rauschebeeren. Die aber leider ohne Haupt- und Nebenwirkung.

Ich bleibe 2 Tage und genieße, daß bis Elkes Ankunft in Örnschwik – einheimisch für Örnskjölsvik – 3 Wochen Zeit sind für nur 114 sm. Viel Raum für die Hasselblad. Leider sind vier der mitgenommenen zehn Filme schon belichtet.
Im Hafen bringe ich das Logbuch auf den neuesten Stand, die Navigation für die nächsten 48 sm bis Holmön steht. Ansonsten Crepes backen, Griesbrei kochen mit Svartwinbärsaft, Wassermelone schlürfen. Hund kraulen. Im Tacitus lesen.
Jetzt wird spazierengegangen bis wir das Ren finden, das – wie die Schweden berichten, immer als an der Straße äst. Und der Elch steht auch noch aus.

 

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Kategorisiert in Allgemein

Von Thomas Esche

sailingboat-based geographer/biologist/photographer/waldorfteacher on SY ROSEBUD, Home Port: Köpmanholmen/Västernorrland län thomasesche@posteo.de

4 Kommentare

  1. Hello Thomas!
    It was very nice meeting you and your lovely dog. Helena and I send you a blessing for a safe and nice sailing to your home harbor.
    All the best
    Kennet

  2. Lieber Thomas,
    bin den blog nochmals von Anfang an durch. Meine Güte, was haben du und Jamie alles erlebt und die ganze Zeit das Hoch über Skandinavien. In zwei Wochen bin ich bei dir und hoffe sehr, dass ich auch noch so tolles Wetter habe. Freue mich auf dich, den Hund, das Boot, die Hoga Kusten und meinen Urlaub-mehr als 10 Tage!! Entspannung , Ruhe und Segelfreuden.
    Nicht mehr lang.
    Deine Elke

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