Wagalaweia durch den Quark

Durch den Quark und Bottenvik

1. Der Norra Kvarken:

Durch den Quark sause ich 4 Tage mit Wind vom Arsch, achterlichem Wind. Sofern das ein Sausen ist, segelt es sich dann ja nicht schneller als der Wind. Dieser Wind von achtern ist Elkes Lieblingswind. I moogs itte. Da schieben von hinten nicht nur Winde, sondern auch Wellen, die dann ab mittags so hoch werden, daß sie einzeln ausgesteuert werden müssen. Konzentrierte Arbeit.
Eine Spezialität des Quark sind seine Untiefen. Blindes Geradeaussegeln geht nicht wirklich. Man schlängelt sich durch.
Und dann ist er, der Quark, nach fünf Tagen schon hinter mir. Mit seinen Städten Umeå, Husum, Sikeå.

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an der Längsskäret, bei diesem Wind hätte ich lieber nicht lossegeln sollen

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vor der Hällskäret – wie es aussieht: heute kein Segeln

Tagebuch:

13. Juli (ein Freitag) von Ällön nach Snöan
Etmal 30 sm

Hier in Ällön nehme ich vom Boot aus mein erstes Bad dies Jahr. Und stelle wieder fest: dieses Jahr ist das Wasser salziger als 2017. Es regnete ja seid 11 Wochen nicht mehr und mittlerweile wird nurmehr die Newa als letzter großer Süßwasserzufluß bleiben. Weit im Süden vom Quark.

Heute gutes Segeln mit stetem achterlichem Wind vorbei an Husum, dann an einer für Schießübungen der Navy gesperrten Bucht. Ab mittags höhere Wellen, jede muß ausgesteuert werden, sonst verreißen sie mir den den Kurs. Abends drangsalieren sie die Vorsegel so, daß ich ein Stück die Maschine nehme. Über Husum hoch aufschießende Eiswolke, klassischer Amboß über Cumulus. Zum Gewitter kommt es heut aber noch nicht – ist ja auch kein Thorstag. Eitel (eitel?) Sonnenschein über mir und so heiß, daß ich nackt segle (iih, darf man das überhaupts?).

Es wird wieder flacher an Land. Nur weit im Hintergrund wenige Walfischrücken-Berge (vor allem Wal-Fisch! „Christian, komm schnell gucken, hier liegt ein toter Fisch, ein Delphin!“ – und das von einem Biologen).

14. Juli von Snöan nach Holmön
Etmal 36 sm

Vorbei an Umeå. Große Pötte, Schnellboote, die die Lotsen an Bord bringen. Gewittergrollen über Land. Sonne über mir. Und dann duftet es nach Kiefern. Wo (Ausdruck!) doch der Wind vom Meer kommt. Das sind die finnischen Kiefernwälder. Gegen abend wird die Welle so stark, daß ich, um die Vorsegel zu schonen, allein mit dem Groß segle. Immerhin 3.5 – 4.2 Knoten. Im Hafen von Holmön hört man Jazz-Klänge aus der Festhalle. Morgen früh gibts in der Kirche Spirituals.
Abends Apfelklöße mit brauner Butter, nachts Kranichrufe.

Apfelklöße – 16 Klöße also Rezept für 1 Person

3-4 saure Äpfel kleingeschnippelt aus der Dorfkooperative
Pfannkuchenteig aus:
6 EL Mehl
3 Eier
Milch, sowenig, daß der Teig klebrig bleibt
3 Prisen Salz
mittels zweier EL Klöße formen und in kochend heißes Wasser gleiten lassen
8-10 Minuten leichtest köchelnd ziehen lassen

auf dem Teller anrichten mit:
stark gebräunter Butter aus mindestens 1/8 Pfund und
4 EL Zucker&Zimt

2. In den Bottenviken

15. Juli, von Holmön zur Längsskäret
Etmal 35 sm

Vorbei an Ratan und Sikeå. An Land einige wenige Hügel. Wie dankbar ich als Südwestdeutscher doch bin für jeden Hügel oder Berg. Backbords über dem fernen Land Gewittergewölk, dumpfes Donnern, Regenfahnen, Dunst. Über mir zumindest bis nachmittags blauer Himmel. Um mich kein einziges Schiff. Aber es ist doch Sonntag? Guggen die alle Fußball. Endspiel Kroatien : Frankreich. Nix, was mich weniger rührt.

16. Juli von der Längsskäret zur Hällskär im Blackefjärden
Etmal 14 sm

Erst gibts keinen Wind, da konnt ich nicht mal absegeln. Dann mit dem ersten frischen Wind einen 1. Schlag nach Süden – und wieder Flaute. Nach über 1 Stunde Wartens mit hängenden Segeln wieder Segeln „et é subito sera“. Im Blackefjärden finde ich die winzige Hällskär, ohne menschliche Spuren, abgesehen von der angespülten Kardinalstonne Nord, die ich bei der Ansteuerung vermisst hatte. Am Ufer dicht an dicht dicke Kotwürste der Eiderenten, deren Junge längst geschlüpft und in Kindergärten von bis 20 beaufsichtigt auf dem Wasser unterwegs sind. Langblättriges Weidenröschen, Polster von Krähenbeere und Moos auf den runden Felsbuckeln. Nur spärlich Gehölz, von Wind und Winter zerzaust. In 10 Minuten zu Fuß umrundet. Unter Geschrei von hunderten Küstenseeschwalben, deren Eier wir nicht fanden. Was zu erwarten war.
Mitternächtens ist es zum Lesen hell, im Norden der Himmel schwefelorange als ginge gleich die Sonne auf, im Süden der Nachthimmel türkisgrün´,das Wasser spiegelglatt.
Morgens 20 Gryllteisten direkt hinter dem Boot schwimmend und tauchend und spielend.

17. Juli vor der Hällskär vor Anker

Schwachwind. Segelte ich, ich käme (zwei Konnungtive) nur 3 Seemeilen weit und bis Bjurö findet sich auf der Karte auf 15 Seemeilen keine nach Süd geschützte Bucht. Motoren nicht in Frage. Also: Wäsche waschen, Logbuch aktualisieren, Holzarbeiten erledigen, Backschaft.

Besuch von altem Schweden, der mir erzählt, es gebe mittlerweile 65 Waldbrände in Schweden nach 11 Wochen ohne Regen.

18. Juli, Hällskär – Bjuroklubben
Etmal 21 sm

Flaute heißt lähmende Hitze, stechende Sonne, Schatten nur im Salon, wo Jamie bei 25° hechelt. Der Gedanke ans Baden kommt. Doch dann sehe ich im Geiste bei unvermittelter Böe das Boot fortfortfortschwimmen. Aaber … wenn dann mit neuem Wind das Boot Fahrt bekommt, das Wasser wieder am Heck gurgelt, den Bootskörper hörbar entlangfließt, möchte man doch juchzen, so schön ist segeln. Und eben noch frug man sich wat soll das Ganze?

Die Wespen und die Hitze an Land hielten mich so auf Trab, daß ich abends wieder mal was wollte? Genau: „schlafen schlafen nichts als schlafen kein Erwachen keinen Traum“.

Jamie ist selbstständig und unerlaubt auf Trebe und kommt zurück mit blutenden Füßen – Nägel auf die Hälfte runtergeschrubbt und die weichen Sohlen teils in Fetzen. Was mag passiert sein. Was folgt sind 3 Tage Humpeln, verbundene Füße, Getragen werden ins Gummiboot und zurück aufs Schiff. Aua-aua-aua.

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Bjuröklubben Hafen – SY Rosebud ganz alleine
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nach der Verarztung mit Weleda-Wundsalbe

19. Juli,  durch die Skelleftea-Bukten:
Bjuröklubben – Romelsön, Etmal 27 sm

Segeln bei klarer Sicht – nach 5 Stunden sehe ich den Bjuröklubben noch immer. Auf dem Meer sehe ich außer 2 Pötten (Frachtern) nur 1 Yacht unter der Küste segeln. Bin allein auf Bucht und Meer draußen. Die Untiefen heißen hier Fördärvet und Ensammen.

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auf dem Weg nach Holmön

Die Vogelstimmen des Frühlings sind dem sommerlichen Schweigen gewichen. Nur in der späten Nacht auf Romelsön Kranichschreie.

20. Juli, Romelsön – Jävre Sandön, Etmal 26 sm

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Jävre-Sandön, nordisch karg bei steifer Brise

Beim Navigieren stelle ich fest, ich habe mich gestern in ein Schießgebiet hineinmaneuvriert. Um Weiterzusegeln muß ich da erstmal nach Süden, also rückwärts, wieder raus. Raum- und also Zeitverlust von etwa 4 Stunden. Ein Mist ist das. Hatte die hellroten Markierungen auf der Seekarte übersehen.

Bremsen begleiten uns noch Stunden seid dem Ankerauf. Es gab halt Sandstrände auf Romelsön (Larven!). Ein Segel dicht unter der Küste gesichtet – draußen auf dem Meer bin ich allein.

Und in der Bucht von Jävre Sandön dann Vorsicht: direkt vor der Ankerstelle rechts ein Stellnetz

21. Juli, Jävre Sandön – Antnäs Börstskär
Etmal 30 sm

Jamie läuft wieder hurtig, die Pforten sind wohl verheilt. Doch wählt sie auf Pfaden die moosigen Partien, meidet die mit spitzigen Steinchen.

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Antnäs Börstskär, vor allen Winden geschütztes Häfelchen

Antnäs Börstskär

22. Juli, von Antnäs Börstskär nach Småskär
Etmal 23 sm

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Geittwertürme über Lulass Küste. Der hinterste hats vor der Abendkühle geschafft: er hat den Cirrenschirm. Der vorderste links auch, dessen Cirrenschirm schon über unsren Köpfen ist.
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Unter dem Cirrenschirm wirds donkel
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Schwerindustrie von Lulea, nein, Stadt brauche ich nicht, ich segle weiter.
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Gewittertürme drüben über Finnland

Im Norden die Gewitter über Luleå, im Osten die Gewittertürme Finnlands. Obgleich Sonntag kein einziges Segel, nur halb Dutzend Motorboote. Der einsame Norden. Beim Kreuzen östlich Runmarö in Wasser ohne Welle zeigt die Rosebud ihr Können: toter Winkel beim Kreuzen 60°. Bei Welle immerhin 105°, manchmal 96°. Im Vergleich: moderne Yachten bringen 90°.
Vorsicht: kurz vor Hafeneinfahrt steht da doch steuerbords voraus ein Stellnetz mit Reuse im Wasser: Lachsfang

23. Juli, von Småskär nach Haparandahamn
Etmal 41 sm

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Manshhällarna, letzter Fels vor der weiten Bucht, die es b is Haparanda zu überqueren gilt.

Achterlicher wind, 2 m Welle nach 20 Stunden SW.
Das heißt 9 Stunden hochkonzentriertes Steuern, denn im üblichen Wellenrhythmus bringt jede 24. Welle, und nach 6 Sequenzen jede 6. das Boot außer Kurs. Als Kurzkieler ist de Rosebud da anfällig, läßt sich jedoch aus diesem Grund rasch wieder auf Kurs bringen.

Auf dem Meer begegnet mir kein einziger Segler. Nur ein offenes Fischerboot überholt. Unter Seskarö in der Ferne ein Küstensegler.

Ich genieße nach Tagen des Durchschlängelns zwischen Untiefen die weite offene Bucht. Dämmere am Steuer schon mal ein. Den 24-er Rhythmus kann ich im Schlaf. Plötzlich taucht vor dem Boot eine Kardinaltonne auf. ?. Ich stelle fest, beim Naviegieren ist mir ein kleiner Schwarm von Untiefchen entgangen, ich schon mitten drinne. Untiefen von 5,6 m. Bei einer Landhebung von 3 cm/a, der feststehenden Regel, auf Bottenvik-Seekarten 1 m von den Tiefen abzurechnen, einer Wellenhöhe von 1.50 m ( Wellental also 0,75m ). Da bleibt nicht viel Wasser unter Kiel. Jetzt heißt es trotz eirigem Geschaukel Kurs halten. Im Nachhinein stelle ich fest, monatelanges Üben hilft, et jeht sogar vorbildsmäsisch.

Stundenlange Quirlerei verlangt ein Kissen unterm Arsch, sonst ist mein dünner Altmännerhintern am Ende gar zu nix mehr zu gebrauchen. Wunde Stellen gibts schon. Wenn man davon wenigsten Muskelkater und zur Belohnung nen Knackasch bekäme.

Vorsicht: vor dem Hafen mehrere Stellnetze.
Hamn avgift 140 SEK, 14 Euro. Im Radio stundenlange Diskussionen zu den Waldbränden. Es sind offenbar 70 % des schwedischen Waldes in Flammen.
Nach einem Tag achterlichen Wind schlafe ich wie ein Stein die helle Nacht durch.

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Kategorisiert in Allgemein

Von Thomas Esche

sailingboat-based geographer/biologist/photographer/waldorfteacher on SY ROSEBUD, Home Port: Köpmanholmen/Västernorrland län thomasesche@posteo.de

2 Kommentare

  1. Lieber Thomas,
    Hut ab, du hast dein gestecktes Ziel erreicht! Das freut mich ungemein für dich und ich bin mächtig stolz auf dich.
    Tja, von nun ab geht es nur noch zurück, sicherlich ein komisches Gefühl oder?
    Ich bin so froh, dass es Jamie irgendwie geschafft hat, wieder zu dir zurückzukommen. Ich will mir gar nicht ausmalen, wo sie gesteckt hat. Gott sei Dank ist sie so gut trainiert! Hoffentlich ist dieses Abenteuer für euch beide eine Lehre. Tja, jetzt sind es keine 4 Wochen mehr, bis ich endlich bei Euch bin!!!! Ich freue mich so und hoffe, dass die Waldbrände mich nicht behindern, zu Euch zu kommen.
    Seid umarmt von Elke

    1. Insoweit ein Hund wie ein großes Kind sein kann, werden wir sehen, was sie gelernt hat daraus. Ich freue mich jedenfalls auf das Segeln mit Dir.

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